Ihr Offener Brief betr. Rentenpaket
Sehr geehrte Frau Schardt,
sehr geehrter Herr Müller,
ich bedanke mich sehr für Ihren Offenen Brief betr. Rentenpaket vom 14. Mai 2014.
Das Rentenpaket bringt unserer Auffassung nach ein großes Stück mehr Gerechtigkeit für Menschen, die verlässlich die Rente der Generation vor ihnen aufgebracht haben, die heutigen Beitragszahler großgezogen und ausgebildet und den Grundstein für eine gute wirtschaftliche Zukunft erarbeitet haben. Es ist also nicht geschenkt, sondern verdient. Wer besonders lange gearbeitet hat, kann künftig schon mit 63 Jahren nach Erreichen von 45 anerkannten Beitragsjahren ohne Abschläge in Rente gehen. In den kommenden Jahren wird die Altersgrenze schrittweise auf 65 Jahre angehoben. Wir haben dabei Menschen im Blick, die viereinhalb Jahrzehnte und mehr hart gearbeitet und Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Den von interessierter Seite zum Teil stark konstruierten Generationenkonflikt erkenne ich nicht, ganz im Gegenteil.
Indem Zeiten der Arbeitslosigkeit in den letzten beiden Jahren vor dem Erreichen des Rentenalters nicht angerechnet werden, haben wir auch einen wirksamen Weg gefunden, um neuen Frühverrentungen einen Riegel vorzuschieben. Allerdings haben wir einen Schutz für diejenigen eingezogen, die etwa durch eine Insolvenz oder Betriebsstilllegung nach dem 61. Lebensjahr arbeitslos werden. In solchen Fällen werden Zeiten der Arbeitslosigkeit angerechnet, um Härtefälle zu vermeiden.
Dabei zwingen wir aber niemanden, bereits mit Erreichen des 63. Lebensjahres die abschlagsfreie Rente in Anspruch zu nehmen. Denn viele Menschen wollen und können länger arbeiten. Wir brauchen deshalb insgesamt mehr Flexibilität beim Übergang aus der Arbeit in die Rente. Wer freiwillig weiter im Beruf bleiben will, soll das künftig ohne Hürden tun können. Zwar führt das Erreichen der Regelaltersgrenze auch bisher schon nicht per Gesetz dazu, dass ein Arbeitsverhältnis endet, es ist jedoch durch Tarif- oder Arbeitsverträge oft faktisch der Fall. Wir machen es daher künftig möglich, dass das Ausscheiden in diesen Fällen einvernehmlich – gegebenenfalls auch mehrmals – über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinausgeschoben werden kann, wenn die betreffende Vereinbarung während des laufenden Arbeitsverhältnisses erzielt wird.
Jedes Arbeitsleben ist anders, Belastungen und Herausforderungen sind unterschiedlich, so verschieden ist auch das persönliche Erleben des Rentenübergangs. Darauf wollen wir mit einer Arbeitsgruppe eingehen und weitere Vorschläge erarbeiten, wie wir den Übergang in die Rente flexibler und individueller regeln können. Wer nicht mehr mit voller Kraft arbeiten kann, soll etwa mit Teilrente eine Brücke in den Ruhestand bauen können.
Die von Ihnen ebenfalls angesprochene Mütterrente ist eine Anerkennung für erbrachte Erziehungsleistung. Frauen und Männer, die vor 1992 Kinder großgezogen haben, hatten nicht die Betreuungsmöglichkeiten und damit Chancen auf Berufstätigkeit, wie Eltern sie heute haben. Viele haben die Arbeit unterbrochen oder ganz aufgegeben, um die Erziehung der Kinder zu übernehmen. Ihre Erziehungsleistung soll stärker gewürdigt werden als bisher. Mütter (ggf. auch Väter), die von der Regelung profitieren, erhalten pro Jahr und Kind einen zusätzlichen (Brutto)Pauschalbetrag von rund 338 Euro in den alten bzw. rund 309 Euro in den neuen Bundesländern. Das sind 2014 allein gut 10 Millionen Frauen (und auch einige Männer) deutschlandweit. Die Verbesserung der Mütterrente führt zu jährlichen Kosten von derzeit rund 6,7 Milliarden Euro. Diese Kosten können in den nächsten Jahren ohne Beitragssatzerhöhung in der Rentenversicherung finanziert werden. Wir als SPD hätten diese Leistungen aus Gerechtigkeitsgründen gerne aus Steuermitteln finanziert, allerdings war das mit unserem Koalitionspartner CDU/CSU wie bekannt nicht durchsetzbar und hier war ein Kompromiss notwendig.
Bei all dem wollen wir dafür sorgen, dass der Beitragssatz weiter stabil bleiben kann.
Insgesamt bewegen sich sowohl die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren wie auch die Verbesserungen der Erwerbsminderungsrente und die höheren Mittel für Reha-Leistungen im Rahmen der politisch beschlossenen Beitragsobersatzgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung. Das sind bis 2020 20 Prozent und bis 2030 22 Prozent. Es gibt zudem in Deutschland, auch Dank der unter rot-grün erfolgreich eingeführten Reformen, immer mehr Beschäftigte, weshalb die Beiträge zur und Rücklagen in der gesetzlichen Rentenversicherung deutlich gestiegen sind. Dieses Finanzpolster besteht aber nicht nur aus Geld der Beitrags-, sondern auch der Steuerzahler. Der Bund unterstützt bereits jetzt über verschiedene Zuschüsse die Rentenversicherung mit rund 80 Mrd. Euro jährlich, was in etwa einem Drittel der Gesamteinnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht. Das Rentenpaket ist damit solide finanziert und um dies auch zukünftig sicherzustellen, haben wir einen zusätzlichen Zuschuss zur Rente aus dem Bundeshaushalt ab dem Jahr 2019 vereinbart. Trotz alle dem hat für uns die Einhaltung der grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse Priorität. Auch das hat für uns mit einer umfassenden Generationengerechtigkeit zu tun, nicht nur bezogen auf die Rentenversicherung.
An dieser Stelle ist es von Ihnen auch mitnichten seriös, kumulierte Kosten über siebzehn Jahre hinweg aufzuführen und damit ein Schreckensszenario zu entwickeln. Die Ausgaben der Rentenversicherung müssen nämlich stets in jedem Jahr aus dem jeweils erwirtschafteten Volkseinkommen finanziert werden und werden nicht heute für morgen vorfinanziert. Setzt man die Mehrausgaben durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz also in Relation zu den Ausgaben, die die gesetzliche Rentenversicherung ohnehin tätigt, erhöhen sich diese im kommenden Jahr um lediglich 3,75%.
Wie Sie erlaube auch ich mir abschließend den Hinweis, diesen Brief als Offenen Brief der Presse zur Kenntnis weiterzuleiten. Weil ich den Dialog mit Ihnen aber gerne fortsetze, möchte ich es nicht missen, Sie schon jetzt zu einer von mir initiierten Veranstaltung der SPD-Bundestagsfraktion zum Thema „Das Rentenpaket – Nicht geschenkt, sondern verdient!“ am 18. Juni 2014 ab 18.30 Uhr im „Bürgerhaus Taunus“ in Taunusstein sehr herzlich einzuladen. Meine Fraktionskollegin Frau Dr. Carola Reimann und ich stehen Ihnen an diesem Abend für weitere Fragen und Anregungen sehr gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Rabanus
Mitglied des Deutschen Bundestags